[UPDATE: Das rechte Kampfsportgeschäft „Crash ’n‘ Fight“ steht mittlerweile wieder leer. Ob es lediglich einen Umzug gab oder der Laden gänzlich geschlossen wurde, ist derzeit unbekannt.]
Im März eröffnete in Halle ein neues Geschäft für Streetwearklamotten, Kampfsport-Accessoires und modischen Hooliganbedarf – nicht ungewöhnlich für eine größere Stadt mit Kampfsport- und Fußballszene. Im „Crash’n’Fight“ allerdings werden bekannte Nazi-Kleidungsmarken wie „Brachial“ oder „Label 23“ verkauft. Der Geschäftsführer Christian Pohle ist ein ebenfalls bekannter Lok-Hooligan aus Leipzig. Nach der Schließung seines Thor-Steinar-Ladens „Fighting Catwalk“ in Leipzig-Reudnitz versucht Pohle nun in Halle Fuß zu fassen.
Von Fighting Catwalk zu Crash’n’Fight – das misslungene Revival
Christian Pohle ist also mit seiner Verkaufstour durch ostdeutsche Städte nun auch in Halle angekommen. Dabei handelt es sich weniger um eine Expansion als vielmehr um einen Umzug, denn der Naziladen „Fighting Catwalk“ in Leipzig – der auch von Pohle betrieben wurde – musste vor einigen Monaten nach mehreren Protestaktionen, Sachbeschädigungen und einer Räumungsklage des Vermieters seine Türen schließen. Wahrscheinlich weil der öffentliche Druck in Leipzig zu hoch und die Nachfrage nach rechtem Hooligan-Lifestyle in Halle noch viel höher ist, hat er sein Bekleidungsgeschäft als „FC-Store“ mit dem martialischen Namen „Crash’n’Fight“ hierher in die Augustastraße 2 verlagert. Ob die geographische Nähe zur zwei Straßen weiter ansässigen Thor-Steinar-Filiale nun Zufall ist oder zu einer rechten Stadtteilstrategie gehört, sei dahingestellt. So oder so würde diese Rechnung durch den Auszug von „Oseberg“ nicht aufgehen – aber dazu später mehr. Neben einigen „Brachial“-Jacken findet man auch die neue Kollektion von „Label 23 – Boxing Connection“ im Angebot. Beides sind relativ neue Player auf dem umkämpften Modemarkt für rechte Szenebekleidung, deren Betreiber tief aus dem rechten Szenesumpf stammen. Während der Hochwasserhysterie in Halle hatte das Geschäft für eine Woche geschlossen und die Belegschaft ging natürlich dem Heimatschutz nach und „packte mit an“ – auf dem hochgeladenen Bild bei Facebook sind drei Kästen Bier und viel mehr verwirrt herumstehende Menschen als Sandsäcke zu sehen. Der Laden hat eine verblüffende Ähnlichkeit (nicht nur im Namen – siehe Bild) mit dem Streetwearshop „Crash Style“ in Eilenburg, an dem Pohle schon länger mitverdient. In Eilenburg liegt das Geschäft allerdings in der Puschkinstraße 22, mitten im Plattenbau-Nazikiez und dürfte durch die passende Klientel besser florieren als in Halle. Zumindest hat er dort keine Probleme damit, „Thor Steinar“ ins Sortiment zu nehmen und das auch öffentlich zu bewerben. Beide Läden führen neuerdings auch Boxhandschuhe im Sortiment, so wird das Faible Kampfsport lukrativ ausgeschlachtet und die Möglichkeit geschaffen, auch rechte Kleidungsmarken unter sonst unpolitische, sportliche Leute zu bringen.
Christian Pohle aus Leipzig – immer mit dem rechten Haken
Nicht nur die Namen der Ladengeschäfte, sondern auch seine Biographie verdeutlichen eine Affinität zu Gewalt: Christian Pohle kämpfte für die „Fighting Fellas“, eine Boxgruppe, die bis mindestens 2008 in Wurzen ansässig und von Neonazis dominiert war. Mehrere Mitglieder aus dieser Zeit beteiligten sich im Oktober 2009 am brutalen Naziangriff auf Fans und Spieler des „Roten Stern Leipzig“ (RSL) in Brandis. Pohle stieg im Dezember 2008 auf einer von „Label 23“ präsentierten Veranstaltung in Berlin für die „Fighting Fellas“ in den Ring. Im Mai 2010 trat Pohle bei einer von den „Fighting Fellas“ organisierten Kampfsportveranstaltung in Weißenfels an. Deren Kopf Matthias Eichler war 2009 nach Leipzig umgezogen, nachdem er sich mit seinem ehemaligen Sponsor Thomas Persdorf („Front Records“) überworfen hatte. Die „neuen“ Fighting-Fellas rühmen sich mittlerweile mit einem hohen Migrantenanteil. Dennoch hatten sie die Sporthalle im Weißenfelser Ortsteil Plotha mit einem Banner von „Erik and Sons“ geschmückt. Pohle selbst lief in einem „Brachial“-Pullover ein, wie in diesem Ausschnitt zu sehen. Betreiber des „Fighting Catwalk“ war die Firma „CuR GbR“ von Christian Pohle und seinem Geschäftspartner Ringo Stoiber. Neben seiner Tätigkeit für „Black Rainbow Security“ ist Pohle auch Gesellschafter der 2012 gegründeten „PuS Unternehmensgruppe GmbH“. „PuS“ steht wieder für „Pohle und Stoiber“, das Unternehmen offeriert u.a. Security-Dienstleistungen. Durch seinen Einsatz als Spieler bei dem Fußballverein „Einheit Leipzig Ost“ (ELO), welcher „Figthing Catwalk“ auf seiner Hompage bewirbt, dürfte er auch noch genug persönliche Connections zu Größen aus der rechten Szene haben. Zu erwähnen sei hier etwa Benjamin Brinsa, der bei „La Famila“ in Halle trainiert und bei der letzten „Fight Night“ des Boxvereins gekämpft hat. Er posiert auch gerne mal im Nazimob von LOK vor der Kamera. Mehr Informationen zu Brinsa und weiteren Nazi-Fightern bei „La Familia“ finden sich in diesem Artikel. Erwähnenswert ist auch sein Fan-Kollege Christopher (alias „Joker“) Henze von „Scenario Lok“, einer rechtsaußen Ultragruppe. Mehr über Brinsa’s und Henze’s Aktivitäten bei „Scenario LOK“ in der Gamma #187(pdf).
Immerhin ist bis dato das Angebot noch nicht so einschlägig, wie bei „Catwalk“ oder „Crash Style“: Es gibt kein „Thor Steinar“ und auf den Flyern wird „Brachial“ zumindest nicht öffentlich beworben. Nichtsdestotrotz sind die oben erwähnten Kleidungsmarken nur die unbekanntere Seite der gleichen, braunen Medaille.
Brachial und Label 23 – different style, same shit!
Die Sensibilisierung der Gesellschaft für Modelabels, die Naziklamotten herstellen und verkaufen, scheint in den letzten Jahren immer erfolgreicher zu sein, zumindest wenn es um die bekannten Marken wie „Thor Steinar“ oder „Ansgar Aryan“ geht. Im Mainstream ist längst angekommen, dass „Thor Steinar“ & Co Klamotten von Nazis für Nazis vertreiben. Allerdings gibt es auch Bekleidungsmarken, die unter dem Radar der Öffentlichkeit und meist auch der Zivilgesellschaft verkauft werden und sich hinter mal mehr, mal weniger schicken, aber scheinbar immer unpolitischen Designs verbergen, wie bei „Brachial“ und „Label 23 – Boxing Connection“. Zwar fehlen auf den meisten Aufdrucken dieser Marken die teils offene Semantik, bekennende Ansagen (wie etwa „Hausbesuche“ und darunter ein Sturmgewehr) und die Germanen-Romantik in Runenstyle, wie bei sonst so vielen „Thor Steinar“-Kleidungsstücken üblich, aber ein Erkennungsmerkmal bilden die Marken an und für sich und durch ihre militärisch anmutende, gewaltaffine Aufmachung trotzdem. Besonderen Anklang finden diese Sachen bei Teilen der rechtsoffenen Kampfsport- und Hooliganszene, dort wirkt das Fast-Monopol von „Thor Steinar“ auf dem rechten Kleidungsmarkt schon längt gebrochen. Der Verkauf von unscheinbaren Kleidungsmarken, jenseits des üblichen Dresscode sind ebenso wichtige Einkommensquellen für Akteure der rechten Szene.
Markus Walzuck ist Markeninhaber von „Label 23“ und deutscher Kickboxmeister. Derweil hat er einiges auf seinem nationalen Kerbholz vorzuweisen: Er war in das Nazi-Netzwerk „Spreelichter“ eingebunden, welches die sogenannten „Unsterblichen-Facklemärsche“ organisiert. Bei einer Welle von Hausdurchsuchungen bei mutmaßlichen „Spreelichter“-Aktivisten wurde auch Walzucks Wohnung auf den Kopf gestellt. Bei den Fackelmärschen und einigen nationalen Kampfsportturnieren („Leben heisst Kampf“) von „Spreelichter“ war Walzuck ebenfalls involviert. Von Erwähnungen im Verfassungsschutzberichten über Fußballstadionverbot wegen „rechtsextremer Handlungen“ bis Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung, Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder mehreren Kontakten in die Rechtsrockszene hat er in seiner rechten Karrierelaufbahn so ziemlich alles vorzuweisen. Dass er zu der Rechtsrockband „Blitzkrieg“ ab und zu in den Ring gestiegen ist, fügt sich da nur zu gut ins Bild.
Bei dem Zwickauer Gründer der Marke „Brachial“ Ralf Marschner geht es nicht weniger scheißnational, dafür umso mehr verworren zu. Er ist Mitglied und Mitbegründer der Naziband „Westsachsengesocks“, verkaufte in Zwickau mit seinem Laden „The Last Resort“ Naziklamotten und sponsorte zudem diverse Free Fight-Veranstaltungen der rechten Szene, bei denen er auch immer wieder die Marke beworben hat. Interessanterweise ist in den NSU-Unterlagen jetzt ein ex-V-Mann mit dem Decknamen „Primus“ aufgetaucht. Laut Informationen des Antifa-Rechercheteams Zwickau handelt es sich hierbei um den erwähnten Nazi Ralf Marschner. Er hat scheinbar schon seit Jahren für den sächsischen Verfassungsschutz gearbeitet, was durch die spärliche Herausgabe von Informationen an die ermittelnden Behörden, wahrscheinlich um den V-Mann aktiv zu schützen, nur bekräftigt wird. Brisant hierbei: Ralf Marschner scheint nicht nur Kontakt zu allen drei Mitgliedern des NSU-Trios gehabt zu haben, sondern neue unbestätigte Hinweise sollen belegen, dass er die Mietwagen für zwei Morde im November 2001 – zum einen in München, zum anderen in Nürnberg – besorgt haben soll. Sollten sich die Hinweise bestätigen, dann wäre dies ein Beleg für die direkte Verwicklung des Verfassungsschutzes in die NSU-Morde. In einem Interview zu seiner Naziband mit dem rechten Magazin „Rock Nord“ wurde er nach seiner Meinung zu den Paragraphen gegen das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ gefragt und hat auf den Punkt gebracht, was für eine Strategie offensichtlich auch hinter unverfänglichen Naziklamotten steckt:
„Wir hatten schon einige Kontakte mit diesem Paragraphen. Doch wir haben daraus gelernt und hauen zukünftig unser Geld nicht mehr zum Fenster raus.“ (Zitat: antifaschistischer Newsflyer Gamma –Ausgabe #192) ………………………………………..
Es wird sich zeigen, ob die letzten Brachial-Jacken im Ladensortiment von „Crash’n’Fight“ die alten Restbestände aus Leipziger Zeiten sind oder neue Angebote mit frischem Nazi-Dress reinkommen.
Oseberg & Crash’n’Fight – boulevard of broken dreams
Die Idee hinter dem sogenannten „FC-Store“ ist genauso unspektakulär, wie simpel. Zum einen versucht er sich in unpolitischer Manier in eine Traditionslinie mit Fans der örtlichen Kampfsport- oder Fußballvereine, wie dem „HFC“ zu stellen. Zum anderen lassen sich mit rechten Streetwear- und Hooliganklamotten gute Geschäfte machen. Aber die Kasse will scheinbar noch nicht so recht klingeln: Der Laden ist schlecht besucht, die Verkäuferin buhlt um jede noch so winzige Möglichkeit den Fashion-Scheiß zu verkaufen und er liegt dazu in einer Straße, in die man sich maximal nachts auf dem Nachhauseweg verläuft – die wirtschaftliche Grundlage steht also eher auf wackligen Beinen. Auch der akribisch geführte Facebook-Account (jeden Tag wird mindestens ein Verkaufsangebot hochgeladen) wird daran nicht viel ändern, denn dort tummeln sich bisher nur der Mitarbeiterkreis und eine handvoll modisch Verwirrte rum. Deshalb ist eigentlich auch nicht zu befürchten, dass aus dem Laden ein größerer Szenetreffpunkt der Nazis wird. Dennoch ist es wichtig den Nazis ihr Geschäft zu vermiesen, mag es noch so unrentabel scheinen. Keine 500 Meter weit entfernt befindet sich seit 2009 eine Vertriebsfiliale des rechten Labels „Thor Steinar“, namens „Oseberg“. Dieser befindet sich auf der mehr oder weniger belebten Einkaufspassage in der Leipziger Straße und ist meist gut besucht. Der Laden ist in der Vergangenheit des Öfteren Ziel von Protesten und Aktionen geworden, nicht nur weil er der bisher einzige Shop mit altem bis ganz neuem „Thor Steinar“-Angebot in Halle ist, sondern er mit dem Prinzip: „Von der Bewegung, für die Bewegung“, seine Funktion als rechter Szenetreff durchaus gerecht wird. Meist wurden bei öffentlichen Aktionen in Halle die örtlichen Nazi-Hools angekarrt, um den Laden zu schützen. Der Vermieter kündigte nun allerdings nach antifaschistischen Interventionen und Druck des Ladenschlussbündnisses an, den Vertrag zwar fristgerecht bis 2014 auslaufen zu lassen, aber das Mietverhältnis nicht weiter zu verlängern. Ob der Laden nach so viel Ärger mit der bisherigen Immobilie einen anderen Vermieter in Halle finden wird, ist fragwürdig. Ob die Betreiber sich die hohe Nachfrage an Thor-Steinar-Zeug dadurch entgehen lassen werden, ist mindestens genauso zweifelhaft. Bis 2014 lohnt es sich dennoch den ein oder anderen antifaschistischen Stadtbummel über den Boulevard zu machen und dafür zu sorgen, dass der Abschied möglichst teuer und hoffentlich einer für immer sein wird. Es bleibt abzuwarten, ob Pohle die wegfallende Konkurrenz nutzen wird, um das Angebotsloch zu stopfen und Thor-Steinar – wie auch in seinem Shop in Eilenburg – ins Sortiment nimmt.